Transgender Day of Remembrance am 20. November

Aktionen in Baden-Württemberg zum Gedenktag für die Opfer von Transphobie.
Tipps für Journalistinnen und Journalisten zur angemessenen Medienberichterstattung.

Stuttgart, 13. November 2013: Der Transgender Day of Remembrance (TDoR) ist dem Gedenken an diejenigen gewidmet, die aufgrund von Hass oder Vorurteilen gegenüber transsexuellen, transgender und intersexuellen Menschen (TTI) ermordet wurden. Obgleich sich nicht jede Person, der während des Transgender Day of Remembrance gedacht wird, selbst als Transgender verstanden hat – also Transsexuelle, Drags, Transidente, Cross-Dresser und viele mehr –, wurden sie alle ein Opfer der Gewalt, die auf Voreingenommenheit und Transphobie beruht. Der Transgender-Tag der Erinnerung, wie sich TDoR frei übersetzen lässt, findet jedes Jahr am 20. November statt.

Der Gedenktag dient dabei mehreren Zwecken. Er stärkt das öffentliche Bewusstsein für Hass-Verbrechen gegen transsexuelle, transgender und intersexuelle Menschen. Am Tag der Erinnerung wird öffentlich getrauert und das Leben derer geehrt, die sonst wahrscheinlich schlicht von der Gesellschaft vergessen würden. Der Tag erinnert die Gesellschaft daran, dass die Opfer ihre Söhne, Töchter, Eltern, Freund_innen oder Nachbar_innen und Mitmenschen sind. Der Tag der Erinnerung schafft Raum und Zeit, um auch hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken und Maßnahmen zu ergreifen, um gemeinsam gegen Diskriminierung, Ausgrenzung, Unwissenheit und Hass vorzugehen.

Die Ängste, Sorgen und Nöte von TTI-Menschen dringen glücklicherweise immer stärker ans Licht der Öffentlichkeit. Die Auseinandersetzung mit den tagtäglichen Diskriminierungen, unter welchen transsexuelle, transgender und intersexuelle Menschen in unserer Gesellschaft leiden, ist immens wichtig. Ist doch das heutige Bild der geschlechtlichen Vielfalt noch immer geprägt durch hässliche Vorurteile, gefährliche Halbwahrheiten und schlichtem Unwissen.

Den Medien kommt in dieser Phase der wachsenden gesellschaftlichen Wahrnehmung eine entscheidende Rolle zu. Aktuell ist die Berichterstattung über TTI-Themen leider oftmals geprägt von der marktschreierischen Schlagzeile und erinnert eher an Boulevardjournalismus denn an fundierte Aufklärung. Zum TDoR 2013 ruft das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg mit seinen über 60 Mitgliedsorganisationen im Land daher nicht nur zum gemeinsamen Erinnern auf, sondern verbindet mit dem Gedenktag einen deutlichen Aufruf an die Medien: im Fokus hat stets und alleinig die jeweilige Lebens- und Leidensgeschichte zu stehen. Diese gilt es, im Sinne und zum Wohle der jeweiligen transsexuellen, transgender oder intersexuellen Person zu formulieren. Eine bewusst reißerische Überschrift und fachlich fragwürdige Passagen, die einzig der scheinbar nötigen Skandalisierung des Berichtes dienen, sind fehl am Platz.

Journalistinnen und Journalisten sollten daher einige einfache Grundsätze beachten:

• Definitionen, Identitäten und Selbstbezeichnungen rund um geschlechtliche Identität sind vielfältig. Eine Auseinandersetzung mit den Gängigsten sollte am Beginn der Recherchearbeit stehen.
• Korrekte Fachbegriffe sind Pflicht. Es heißt Geschlechtsangleichung statt „Umwandlung“, „Verwandeln“, „umoperieren“ oder dergleichen. Letztere Begriffe sind tabu, da sie fachlich falsch und zugleich herabsetzend sind.
• Verwendung der richtigen Pronomen – nämlich das, welches für die Person gemäß ihrer Selbstbestimmung zutrifft.
• Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität sind nicht das Gleiche.
• Die geschlechtliche Identität hat nichts mit „glauben“ zu tun: „Er glaubt, eine Frau zu sein“ oder „Sie glaubt, ein Mann zu sein“ sind daher sachlich falsch – vom wertschätzendem und guten Stil ganz zu schweigen.
• TTI-Menschen sollte die Kompetenz zugestanden werden, die Expertinnen und Experten für ihre eigene geschlechtliche Identität zu sein. Bei Unklarheiten: nachfragen!
• Lebensläufe sind vielfältig. Einzelne eignen sich daher nicht als Prototypinnen und Prototypen, sondern sind Individuen mit eigenen Biographien.

• Bei so sensiblen Themen wie der jeweiligen Lebenssituation geht Sorgfalt vor Schnelligkeit. Berichte sollten also keinesfalls unter Zeitdruck, sondern mit ausreichend Vorlauf für klassische Recherchearbeit und einem feinen Gespür für das Gegenüber entstehen.
• Sensationsgier schadet den Tatsachen. Das beginnt bereits bei der Überschrift. Finger weg von „Früher liebte sie Frauen. Jetzt will sie lieber ein Mann sein“, „Berliner Mama-Mann“ oder „Der Mann, der eine Frau war“.

Mehr über das Know-how, spannende Reportagen, kompetente Berichte und fundierte Kommentare rund um TTI-Themen zu liefern, bietet die Broschüre „Trans* in den Medien“ mit Informationen für Journalistinnen und Journalisten des Berliner Vereins TransInterQueer e.V. Ein kostenloses PDF Dokument ist online unter https://www.transinterqueer.org/angebote/publikationen/ abrufbar.

Rund um den Transgender Day of Remembrance (TDoR) finden im November in Baden-Württemberg unterschiedlichste Aktionen gegen Transphobie und für mehr Akzeptanz statt:

Freiburg: 19. November 2013, 19 Uhr (Film- und Infoabend)
Anlässlich des Transgender Day of Remembrance zeigt das SchwuLesBi-Referat die Dokumentation „Was Mann ist“ über die Organisation TransMann München e.V. Anschließend geben Isabelle Hlawatsch und Ines Ims vom Freundeskreis transidenter Menschen e.V. Einblicke zum Umgang mit Transsexualität und Diskriminierung im Alltag.
Universität Freiburg, Kollegiengebäude 1, Platz der Universität 3, Raum 1023. Eintritt frei.

Stuttgart: 20. November 2013, 15 Uhr (Gedenkaktion)
Anlässlich des Transgender Day of Remembrance wird vor dem ersten Beteiligungsworkshop der Landesregierung Baden-Württemberg am 20.11. rund um den Veranstaltungsort, das SpOrt Stuttgart, eine öffentliche Mahnwache mit Kerzenaufstellung abgehalten. Alle Besucher*innen des Workshops rund um den Aktionsplan „Für Akzeptanz und gleiche Rechte“ erhalten außerdem eine „Denkkarte“ rund um das Erinnern an begangene Hassverbrechen und den andauernden Kampf gegen Transphobie.
SpOrt Stuttgart – Sport-, Bildungs- und Dienstleistungszentrum, Fritz-Walter-Weg 19, 70372 Stuttgart. Eintritt frei.

Heidelberg: 20. November 2013, 19 Uhr (Film- und Infoabend)
Anlässlich des Transgender Day of Remembrance zeigen PLUS. Psychologische Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar e.V. und die Heidelberger Initiative >Identität und Geschlechtlichkeit< in Kooperation mit dem Karlstorkino den Film „ROMEOS“. Der Spielfilm von Sabine Bernardi aus dem Jahr 2011 handelt von der außergewöhnlichen Liebesgeschichte des 20-jährigen Lukas, der im Körper eines Mädchens geboren wurde und nun dafür kämpft, so zu leben, wie es ihm entspricht. Der Film erhielt von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FMB) das Filmprädikat wertvoll. Im Rahmen der Berlinale 2011 lief er in der Sektion Panorama. Im Anschluss besteht die Gelegenheit, bei einem Sektempfang auf die diesjährige Gründung der Heidelberger Initiative >Identität und Geschlechtlichkeit< anzustoßen. Die Initiative bietet im Rahmen von monatlichen offenen Treffen und gemeinsamen Aktionen ein Forum für Menschen, die ein Unbehagen an den wenigen zur Verfügung stehenden geschlechtlichen und sexuellen Identitätskategorien empfinden. Sie setzt sich für die Wertschätzung der Vielfalt alternativer sexueller und geschlechtlicher Identitäten ein.
Karlstorkino Heidelberg Am Karlstor 1, 69117 Heidelberg. Eintritt: 7 Euro (ermäßigt 6 Euro).

Stuttgart: 20. November 2013, 20 Uhr (Demonstration, Flashmob)
Im Jahr 2012 wurden über 250 Menschen auf Grund ihres geschlechtlichen Ausdrucks gesteinigt, erstochen, erschossen, erhängt und zu Tode gefoltert. Aus Anlass des Transgender Day of Remembrance werden auf dem Stuttgarter Schlossplatz Kerzen für die Opfer aufgestellt und deren Namen verlesen. Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr. Alle Menschen sind dazu eingeladen, sich an dem Gedenken zu beteiligen und eine eigene Kerze mitzubringen.
Schlossplatz Stuttgart. Bitte Kerze mitbringen. Eintritt frei.

Alle Aktionen werden auch auf der Website des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg vorgestellt: www.netzwerk-lsbttiq.net.

1 Ursprung: Der Transgender Day of Remembrance (TDoR) geht auf die Ermordung von Rita Hester zurück. Ihr Tod am 28. November 1998 war der Anstoß war für das Web Projekt „Remembering Our Dead“ sowie für eine Kerzenlicht-Nachtwache, die zum ersten Mal 1999 in San Francisco stattfand. Die Ermordung Rita Hesters ist – wie die meisten Anti-Transgender-Mordfälle – bis heute noch nicht aufgeklärt.

2 Transphobie bezeichnet gegen transidente, transgender, transsexuelle Personen gerichtete Vorurteile, Ekel, Aggressionen oder irrationale Angst vor ihnen, ihren Lebensweisen und dem Ausdruck ihrer Geschlechtsidentitäten sowie ihre gesellschaftliche Diskriminierung. (Quelle: Wikipedia.org)

Über das Landesnetzwerk: Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ist ein überparteilicher und weltanschaulich nicht gebundener Zusammenschluss von lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queer (LSBTTIQ) Gruppen, Vereinen und Initiativen. Das Netzwerk zeigt damit bereits die Vielfalt und die Vielgestaltigkeit von Geschlecht und sexueller Orientierungen. Ziel des Landesnetzwerks ist es, die Zusammenarbeit der verschiedenen LSBTTIQ-Mitgliedsgruppen auf Landesebene zu fördern und den Erfahrungsaustausch zu intensivieren, zu zentralen Themen gemeinsame Positionen zu erarbeiten und gegenüber landespolitischen Entscheidungstragenden zu vertreten. Dabei greift das Netzwerk auf die vorhandenen Kompetenzen und Expertisen der Mitglieder zurück. Die Bündelung der Aktivitäten vor Ort erbringt Synergieeffekte, die den gesellschaftlichen Beitrag der Mitgliedsgruppen wirkungsvoller gestaltet. Die Eigenständigkeit jedes Mitglieds wird respektiert und alle Mitglieder arbeiten gleichberechtigt.

Kontakt zum Sprechendenrat: sprechendenrat@netzwerk-lsbttiq.net
Mehr Informationen zum Netzwerk: www.netzwerk-lsbttiq.net, Netzwerk bei Facebook: www.facebook.com/lsbttiq

LSBTTIQ: Die Abkürzung steht für die einzelnen Richtungen in der vielfältigen Regenbogen-Gemeinschaft – lesbisch (L), schwul (S), bisexuell (B), transgender (T), transsexuell (T), intersexuell (I), queer (Q).