Ein CSD gehört in die Mitte der Gesellschaft!
Freiburg, 21. Juni 2018
PRESSEMITTEILUNG
Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang: der Zugang zur Mitte der Stadt für Lesben, Schwule, Bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen wird über einen Gang über die Gerichte erreicht – wenn nicht noch Widerspruch eingelegt wird. Wir alle sahen uns schon viel weiter. Viel weiter auf dem gemeinsamen Weg zu einem Moment, in dem tatsächlich die Vielfalt der Lebenswirklichkeiten willkommen geheißen wird.
Sicherheitserwägungen sind wichtig und lassen sich im Regelfall im beiderseitigen Einverständnis lösen. Wenn aus welchen Gründen auch immer die Zeit für Konsensfindungen zu kurz wird, bedarf es eines Bekenntnisses: Wir machen es möglich – weil es richtig ist. Lesben, Schwule, Bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen mitten in der eigenen Stadt unübersehbar und unüberhörbar willkommen zu heißen.
Dies war in Freiburg jedoch nicht gesichert. Der CSD Freiburg e.V. erhielt – anders als die Fasnachts-Vereine oder ein Marathonrennen – zunächst keine Genehmigung, die diesjährige CSD Parade in der Innenstadt abzuhalten. Vielmehr sollten sie in die äußeren Randbezirke abgedrängt werden.
Ein CSD gehört jedoch in die Mitte der Gesellschaft. Daher wandte sich das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg mit einem offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Freiburg, Herrn Dr. Dieter Salomon, den Finanz- und Ordnungsbürgermeister, Herrn Breiter und die Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats der Stadt Freiburg:
“Wir appellieren an sie, die Symbolkraft ihrer Entscheidung ernst zu nehmen und eine sichere und zentrale CSD Route durch die Innenstadt Freiburgs zu ermöglichen: Ein CSD gehört in die Mitte der Stadt, genauso wie Lesben, Schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen in die Mitte unserer Gesellschaft gehören.”
Der Brief im Wortlaut:
Die Paraden zum Christopher Street Day (CSD) sind in allen größeren Städten Baden-Württembergs wie auch weltweit Demonstrationen für die Rechte und Lebenswirklichkeiten von Lesben, Schwulen, bisexuellen transsexuellen, transgender, intersexuellen und queere Menschen (LSBTTIQ). Sie sind bunt und laut, Diskriminierungen werden angeprangert und gesellschaftliche und persönliche Erfolge werden gefeiert. Die CSD-Paraden fordern die gleichwertige Sichtbarkeit der Vielfalt sexueller Identität und der Vielfalt von Geschlecht in der Mitte der Gesellschaft – und somit auch in der Mitte der Stadt.
Für uns ist es undenkbar, dass Freiburg den CSD aus seinem Herzen und Zentrum verbannt. Einer Stadt, in der sich viele Initiativen und Gruppen in unterschiedlichster Weise für LSBTTIQ Menschen vor Ort engagieren und für Akzeptanz und gleiche Rechte eintreten. Unter den aktiven Gruppen sind auch einige Mitglieder des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg, das als landesweit tätiges Netzwerk seinen Sitz schon seit der Gründung in Freiburg hat und der Stadt damit besonders verbunden ist.
Für eine weltoffene und tolerante Stadt wie Freiburg sollte es selbstverständlich sein, den Anliegen von LSBTTIQ Menschen für alle sichtbar in ihrer Mitte Raum zu geben und die Organisation eines CSDs zu unterstützen. Das große ehrenamtliche Engagement, das die verschiedenen Gruppen das ganze Jahr über leisten, sollte die Stadt als Aushängeschild begreifen und entsprechend würdigen. Mindestens einmal im Jahr sollte auch in der breiten Öffentlichkeit unübersehbar sein, dass die Stadt die Vielfalt der LSBTTIQ Community gerne in ihrer Mitte begrüßt.
Aus diesem Grund unterstützen wir das Anliegen des CSD Freiburg e.V. und der vielen weiteren Gruppen, die die Parade mitorganisieren, unterstützen und besuchen wollen. Wir können nachvollziehen, dass sich die Lage vor Ort komplexer darstellen mag, als von außerhalb wahrnehmbar ist. Dennoch appellieren wir an Sie, die Symbolkraft ihrer Entscheidung ernst zu nehmen und eine zentrale CSD Route durch die Innenstadt Freiburgs zu ermöglichen: Ein CSD gehört in die Mitte der Stadt, genauso wie Lesben, Schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen inmitten unserer Gesellschaft gehören.
Über das Netzwerk: Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ist ein überparteilicher und weltanschaulich nicht gebundener Zusammenschluss von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queeren (LSBTTIQ) Gruppen, Vereinen und Initiativen. Das Netzwerk zeigt damit bereits die Vielfalt und die Vielgestaltigkeit von Geschlecht und sexueller Orientierungen. Ziel des Netzwerks ist es, die Zusammenarbeit der verschiedenen LSBTTIQ-Mitgliedsgruppen auf Landesebene zu fördern und den Erfahrungsaustausch zu intensivieren, zu zentralen Themen gemeinsame Positionen zu erarbeiten und gegenüber landespolitischen Entscheidungstragenden zu vertreten. Dabei greift das Netzwerk auf die vorhandenen Kompetenzen und Expertisen der Mitglieder zurück. Die Bündelung der Aktivitäten vor Ort erbringt Synergieeffekte, die den gesellschaftlichen Beitrag der Mitgliedsgruppen wirkungsvoller gestaltet. Die Eigenständigkeit jedes Mitglieds wird respektiert und alle Mitglieder arbeiten gleichberechtigt.
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LSBTTIQ: Die Abkürzung steht für einzelne Richtungen in der vielfältigen Regenbogen-Gemeinschaft – lesbisch (L), schwul (S), bisexuell (B), transgender (T), transsexuell (T), intersexuell (I), queer (Q).