Grussrede zum CSD in Freiburg

09.07.2016

Grußwort des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg anlässlich des CSD Freiburg 2016 unter dem Motto „Mein Herz schlägt gegen Rechts?“

Hallo allerseits

Hallo Ihr queeren,
Hallo Ihr intersexuellen,
Hallo Ihr transsexuellen,
Hallo Ihr transgender,
Hallo Ihr bisexuellen,
Hallo Ihr schwulen,
Hallo Ihr lesbischen Menschen!

Und ein Hallo an alle Freundinnen und Freunde unserer Community im Namen des Netzwerkes LSBTTIQ Baden-Württemberg.

„Mein Herz schlägt gegen Rechts!“ Es schlägt gegen Eindimensionalität, es schlägt gegen Ausgrenzung, es schlägt gegen Hetze und es schlägt für Vielfalt. Es schlägt für Geschlechtergerechtigkeit, es schlägt für Sichtbarkeit und es schlägt für Akzeptanz. Unter dem Motto des Freiburger CSD „Mein Herz schlägt gegen Rechts!“ beziehen wir genau hier gemeinsam klar Stellung gegen die ach so einfachen Antworten, die uns von manchen Gruppierungen präsentiert werden.

Gegen die Abschiebung von geflüchteten LSBTTIQ aus den angeblich sicheren Magreb-Staaten. Gegen die Hetze von Parteien die Abgrenzung und Ausgrenzung vermehrt propagieren und sich durch Teilung vermehren. Gegen diejenigen die Trauer und Gedenken missachten und beim Forum der Jugend in Mannheim bei einem Brandanschlag die zum Gedenken an das Massaker von Orlando aufgehängte Regenbogenflagge verbrannt haben. Gegen die Brandanschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten im ganzen Land.

Ja, es ist wirklich höchste Zeit zusammen Stellung zu beziehen, damit unser Herz schlagen kann. Damit wir alle, die wir heute hier sind, sichtbar und vereint in einer Gesellschaft der Vielfalt handeln. Mittlerweile engagieren sich fast 100 Organisationen im Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg. Wir haben völlig verschiedene Hintergründe, aber wir sind uns einig in dem Gedanken, dass es für uns sehr wichtig ist, uns gemeinsam auf den Weg in eine vielfältige und sichere Zukunft zu begeben.

Die Vision des Netzwerkes LSBTTIQ ist eine Gesellschaft, in der geschlechtliche Vielfalt anerkannt ist und gelebt werden kann. Gleich- und gegengeschlechtliche Liebe und Beziehungen sind gleichberechtigt und gleichgestellt. Geschlechtliche Vielfalt und die Vielfalt der sexuellen Orientierung sind im Geiste der Menschenrechte selbstverständlich und lebbar. Wir haben die Vision einer Gesellschaft frei von Heteronormativität und Androzentrismus. In diesem Anliegen wollen wir uns nicht auseinander bringen oder gar gegen andere diskriminierte Gruppen ausspielen lassen. Wir halten zusammen. Gerade dann, wenn Menschen zu uns kommen, weil sie in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten, müssen wir alle unsere Kräfte hinzu Integration und einem gemeinsamen Miteinander aufbringen.

Diese Geschlossenheit ist notwendig, um Fremdenfeindlichkeit, Homo-, Trans- und Interphobie, die es auch schon zuvor in unserer Gesellschaft gab, abzubauen. Wir erleben gerade erneut den Versuch unsere Gesellschaft aufzuteilen und so scheinbar zu trennen und in Gruppen aufzuteilen. Diese Abwertung, Ausgrenzung und Ablehnung von allem was uns anders, unbekannt erscheint, sei es im Kulturellen, Religiösen oder mit dem Blick auf die Vielfalt von sexueller und geschlechtlicher Identität, betrifft jede und jeden von uns. Denn jegliche Ausgrenzung betrifft uns alle – und das nicht erst seit gestern.

Besonders hart trifft es jene, die diese Abwertung und Ausgrenzung gleich mehrfach erfahren. Weil sie eben zum Beispiel – sowohl geflüchtet sowie Frau und lesbisch sind (oder als Transgender, schwuler oder als queerer Mensch) und hierher kommen, um hier gleichwertig mit allen anderen leben zu können. Es gibt hier keine einfachen Antworte. Denn Geflüchtete nehmen uns nichts weg. Sie brauchen Unterstützung um wie wir ihren Weg und ihren Platz zu finden. Sie müssen dafür nicht mit lebenslanger Dankbarkeit und Anpassung bezahlen – oder als mitunter exotische Trophäe dienen. Eine Gesellschaft die sich nach Vorne entwickelt, hat zum konstruktiven Umgang mit Vielfalt keine Alternative. Denn das, was im Grunde eine Gesellschaft zusammen hält, ist VIELFALT.

Dass sich im Koalitionsvertrag der Landesregierung Anknüpfungspunkte zur Zuversicht für eine selbstverständlich vielfältige Gesellschaft in Baden-Württemberg finden, ist eben gerade nicht selbstverständlich, sondern auch Ergebnis unserer aller Arbeit. Es ist wichtig, das sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt im Kapitel zu den Geflüchteten mit einem besonderen Schutzbedarf verknüpft werden. Es ist wichtig, dass das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg als Partnerin für das Erreichen von Gleichstellungszielen benannt wird. Und wenn dann die Kirchen ebenfalls genannt werden, setzen wir auf Institutionen wie die evangelische Landeskirche in Baden, die auch gegen Widerstand aus den eigenen Reihen gleichgeschlechtliche Trauungen gleichgestellt hat.

Wir sind auf dem richtigen Weg, unser Leben in seinen vielfältigen Ausprägungen gemeinsam mit vielen anderen sicherer zu machen. Gemeinsam mit all den anderen, die anders sind als wir, sind wir alle gleich wertvoll. Wir brauchen unsere Gemeinschaft im Netzwerk – in all seiner Vielfalt. Denn wir stehen auch für die Offenheit, auf andere zuzugehen, andere Menschen aufzunehmen. Gemeinsam sind wir stark. Hier beim CSD und im Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg – bringt euch ein, macht mit.

Es hat sich einiges verändert! Heute finden transsexuelle Menschen leichter Hilfe und Unterstützung, sei es über die Angebote der Selbsthilfe (über Internetforen) oder sogar in eigenen Jugendgruppen. Wenn ich sehe, dass es in Baden-Württemberg eine transsexuelle Jugendgruppe gibt, begeistert mich das. Es ist ein Beispiel dafür, wie wichtig Sichtbarkeit ist. Es ist toll, wie die Kids der Gruppe es selbst sagen, und freue mich, dass es diese Gruppe heute in Baden-Württemberg gibt.

Warum engagiere ich mich? Wir haben alle haben eine eigene Geschichte, unsere Lebenserfahrung, die uns ausmacht und antreibt. Es ist mir ein Anliegen als Frau selbstverständlich sichtbar zu sein und dadurch andere zu unterstützen. Dabei ist das Recht auf Selbstbestimmung und Selbstvertretung besonders wichtig um aktiv zu sein, in der Selbsthilfe oder in der Vernetzungsarbeit mit anderen LSBTTIQ Gruppen in ganz Baden-Württemberg.

Damit das Thema LSBTTIQ sichtbar ist und damit Menschen heute früher die Chance auf ein Leben ohne-sich-zu-verstecken haben und führen könne. Damit die eigene Person sichtbar wird. Wie viele von uns Menschen verstecken sich und sind mit sich nicht zufrieden oder lehnen sich ab? Wichtig ist das wir bei uns ankommen, uns zuerst selbst akzeptieren, ob als Hetero, ob als LSBTTIQ. Denn wer von uns ist perfekt?

Wenn wir zu uns selbst stehen, wenn wir uns selbst in unserer Vielfalt sichtbar machen, uns in unserer Vielfalt respektieren und auch die anderen Menschen respektieren, können wir die Vision leben. Dann können wir unser Herz gegen rechts und für ein Miteinander schlagen lassen.

Werdet Aktiv, Seid Sichtbar … und habt viel Spaß beim Feiern. Vielen DANK!

 

Termine und Links für die CSDs in Baden-Württemberg 2016: www.netzwerk-lsbttiq.net/termine/csds