Den Schutz vor Konversionsmaßnahmen ausbauen!

Freiburg, 26. März 2024

PRESSEMITTEILUNG

Eine aktuelle Studie zeigt: Auch drei Jahre nach Inkrafttreten des Konversionsbehandlungs­schutzgesetzes bleiben queere Menschen Konversionsmaßnahmen ausgesetzt. Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg unterstützt das Forderungspapier der Expert_innengruppe aus dem Fachbeirat des Forschungsprojekts Konversionsbehandlungen: Kontexte. Praktiken.

Wissenschaftlich gilt als gesichert, dass die sexuelle Orientierung und das Wissen um das eigene Geschlecht grundlegende Merkmale der menschlichen Persönlichkeit darstellen. Weder lassen sie sich durch eigenen Willen noch durch Eingriffe von außen nachhaltig verändern. Alle Versuche, die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität zu beeinflussen, werden als Konversionsmaßnahmen bezeichnet. Sie sind nicht nur unethisch, sondern in hohem Maße gefährlich und erzeugen großes Leid bei den Betroffenen.

Der Gesetzgeber hat diese Gefahr erkannt und 2020 ein Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen verabschiedet. Es verbietet die Durchführung von Konversionsbehandlungen für Minderjährige sowie für Menschen über 18 Jahren, sofern sie nach vollumfänglicher Aufklärung nicht ausdrücklich in eine solche Behandlung eingewilligt haben. „Das bestehende Gesetz reicht nicht aus, um einen effektiven Schutz vor Konversationsmaßnahmen zu garantieren“, betont Corinna Wintzer, Mitglied des Sprechendenrats des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg. Sie ergänzt: “Konversionsmaßnahmen sind grundsätzlich menschenrechtswidrig. Sie müssen konsequent und ohne Einschränkung verboten werden. Zudem sollte eine Erhöhung des Strafmaßes erfolgen. Auch Vermittlungen solcher Maßnahmen sollten als eigener Tatbestand gewertet werden.“

Dass Konversionsmaßnahmen auch nach Einführung des Gesetzes immer noch praktiziert werden, geht aus einer aktuellen Studie hervor. Dr. Klemens Ketelhut (Mosaik Deutschland), Projektleiter des Forschungsprojekts Konversionsbehandlungen: Kontexte. Praktiken. Biografien, hatte die wichtigsten Ergebnisse bereits auf einer Veranstaltung unseres Netzwerks am 3. Februar vorgestellt. Von den knapp 3.500 im Rahmen der Online-Umfrage befragten queeren Personen gaben 43 Prozent an, dass ihnen vorgeschlagen worden war, ihre Geschlechtsidentität zu unterdrücken; 29 Prozent war vorgeschlagen worden, ihre sexuelle Orientierung zu ändern. Die Vorschläge wurden primär von den Eltern oder anderen Mitgliedern der eigenen Familie und in schulischen und religiösen Kontexten geäußert, aber auch in psychotherapeutischen und beraterischen Settings sowie im klinischen Kontext.

„Diese Zahlen machen betroffen“, sagt Mathias Falk, Co-Leiter des Netzwerkprojekts Landesweite Beratung von und für LSBTTIQ*, „besonders in der Beratung von LSBTTIQ benötigen wir ein flächendeckendes, niedrigschwelliges Angebot für von Konversionsmaßnahmen bedrohte und betroffene Menschen.“

Die Bundesregierung hat den dringenden Reformbedarf des Gesetzes erkannt und im Koalitionsvertrag eine Novellierung des Gesetzes vereinbart. Auch der Aktionsplan Queer leben adressiert die Schwächen des Gesetzes ausdrücklich und schlägt konkrete Verbesserungsmaßnahmen vor. Bisher liegen jedoch weder Eckpunkte noch ein Gesetzentwurf vor und es zeichnet sich ab, dass die zuständigen Ministerien dieses Vorhaben in dieser Legislatur nicht mehr angehen wollen.

Eine Expert_innengruppe aus dem Fachbeirat des Forschungsprojekts Konversionsbehandlungen: Kontexte. Praktiken hat am vergangenen Freitag einen Forderungskatalog an die Regierung gerichtet (https://www.befragung-unheilbar-queer.de/). Als Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg unterstützen wir diese Forderungen in vollem Umfang.

Der Text der Pressemitteilung als pdf-Datei findet sich hier.