Zum Frauentag: Kindeswohl und Rechte für Lesbenpaare sichern! Gravierende Ungleichbehandlung im gegenwärtigen Abstammungsgesetz abschaffen.

Freiburg, 5. März 2020

PRESSEMITTEILUNG

Anlässlich des 8. März 2020 weist das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg auf eine besondere Benachteiligung lesbischer Paare hin: diese ist in den Gesetzen zu Abstammung und Elternschaft begründet und wurde mit der „Ehe für alle“ nicht beseitigt, sondern vielmehr zementiert. Die Novellierung des Adoptionsrechts verschärft diese Ungleichbehandlung lesbischer Elternpaare nochmals.

Im Abstammungsrecht besteht eine gravierende Ungleichbehandlung von Ehen heterosexueller Paare gegenüber Ehen gleichgeschlechtlicher Paare. Wenn eine Frau in einer heterosexuellen Ehe ein Kind auf die Welt bringt, ist ihr Ehemann automatisch der zweite Elternteil. Selbst unverheiratet heterosexuelle Paare können schon vor der Geburt eine Vaterschaftsanerkennung in Ergänzung zur gebärenden Mutter durchführen, so dass es schon bei der Geburt zwei Elternteile für das Kind gibt. In beiden Fällen wird die Regelung mit dem Interesse des Kindes, ab dem ersten Atemzug zwei verantwortliche Elternteile zu haben, begründet. Eine biologische Verwandtschaft wird dabei weder geprüft noch ist diese notwendig für die Anerkennung.
Ganz anders ist die Gesetzeslage bei Frauenpaaren. Die Ehefrau einer gebärenden Partnerin ist nicht automatisch zweites Elternteil. Sie wird erst nach einer aufwändigen, oft Jahre dauernden Stiefkindadoption, bei der u.a. eine Überprüfung durch das Jugendamt erfolgt, als mitverantwortlich anerkannt. „Viele Lesbenpaare erleben es als eine diskriminierende Zeit des Bangens und Wartens. Warum diesen Ehepaaren die gemeinsame Elternschaft abgesprochen wird, ist unverständlich.“, unterstreicht July Schmidt vom Sprechendenrat des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg. Noch weniger erklärlich ist, warum diese Paare nicht das Recht haben, vor der Geburt die Elternschaft zu dokumentieren und damit sicherzustellen, dass ihr Kind vom ersten Tag an in vollen Umfang den Schutz beider Elternteile genießen kann. Leidtragende sind hier die Kinder und ihre Eltern.

Damit diese eklatante rechtliche Benachteiligung der Kinder lesbischer Paare und der lesbischen Eltern endlich ein Ende hat, bedarf es endlich entsprechender rechtlicher Regelungen.

1. In Ehen geborene Kinder haben das Recht auf beide Elternteile. Frauen ebenso wie Männer sind automatisch als zweiter rechtlicher Elternteil anzuerkennen, wenn das Kind in der Ehe geboren wird (Eheautomatismus §1592 Absatz 1 BGB).
2. Unverheiratete homosexuellen Paaren erhalten ebenso wie unverheiratete heterosexuelle Paaren die Möglichkeit, die Elternschaft für ein Kind vor der Geburt anerkennen zu lassen (Elternschaftsanerkennung §1592 Absatz 2 BGB). Diese Gleichstellung fehlt bisher im Gesetz.
3. Die Elternschaft kann mittels einer Elternschaftsvereinbarung vor der Zeugung einvernehmlich festgelegt werden. Eine solche verlässliche Vereinbarung schafft Sicherheit für die Kinder und künftigen Eltern. Beispielsweise erhalten mit der Erklärung der Beteiligten zur Spende bzw. zur zweiten Elternstelle sowohl Samenspender als auch gebärdende Mutter einen sicheren Rahmen und sind so vor nachträglichen Forderungen geschützt (Gesetzesergänzung).

Die klare Ungleichbehandlung der scheinbar gleichgestellten Ehe homosexueller Paare wird aktuell besonders brisant, da die Aktualisierung des Adoptionshilfe-Gesetzes ansteht. Erklärtes Ziel dieser Gesetzesnovelle ist die bessere Unterstützung von Herkunftsfamilien und Adoptionsfamilien in Adoptionsverfahren. Dieses an sich relevante Ziel wird jedoch ad absurdum geführt, wenn es auf lesbische Ehepaare angewandt wird. Hier sind Herkunftsfamilie und Adoptionsfamilie identisch. Eine Ehepartnerin wird allerdings von Gesetzes wegen nicht als zweites Elternteil anerkannt. Die Ehe wird bei Geburt des Kindes plötzlich nur noch zur halben Ehe und die Kinder, die in eine gleichgeschlechtliche Ehe geboren werden, werden gleich zu Beginn ihres Lebens gegenüber Kindern aus heterosexuellen Ehen benachteiligt.
Abschließend bekräftig Mathias Falk, lange Jahre Sprechender des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg: „Mit aller Kraft stellt sich das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg hinter die Rechte von lesbischen Paaren. Es muss selbstverständlich sein, dass bei der Geburt eines Kindes ihre Elternschaft so anerkannt wird wie dies für heterosexuelle Paare gilt.“ Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg verspricht sich von der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags am 2. März 2020, dass die Verschlechterung der Rechte von Frauenpaaren und ihren Kindern bei der Novellierung der Stiefkindadoption erkannt und vermieden wird. Das Netzwerk fordert zudem, die Rechte der Kinder auf ihre für sie sorgenden Eltern ernst zu nehmen und eine Elternschaftsvereinbarung vor Zeugung zu ermöglichen und abzusichern.

Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ruft dazu auf, sich am 8. März an Aktionen zu beteiligen, aktive Gruppen zu unterstützen und sichtbar zu sein. Gerne weisen wir hier auf besondere Events von Mitgliedsorganisationen des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg zum Weltfrauentag hin. Diese bieten Raum für Austausch und Sichtbarkeit und zum Feiern für und mit Lesben, bisexuellen Frauen, transsexuellen Frauen, queeren Frauen und transgender Frauen und ihren vielfältigen Mitstreiter_innen.

• Infostand Your body – your sex – your choice – Sonntag, 8.3.2020 von 11 Uhr bis 14 Uhr, Mannheim
• Film Uferfrauen Lesbisches L(i)eben – Samstag, 7.3.2020 von 18 Uhr bis 20:30 Uhr, Tübingen
• Drag Show Performance & Female DJ-Party – Samstag, 7.3.2020 von 20 Uhr bis 02 Uhr, Tübingen
• Party zum Internationalen Frauentag – Samstag, 7.3.2020 von 21 Uhr bis 03 Uhr, Tübingen
• baf öffnet sein Frauen_Lesben_Archiv – Sonntag, 8.3.2020 von 14 bis 17 Uhr, Tübingen

Über das Netzwerk: Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ist ein überparteilicher und weltanschaulich nicht gebundener Zusammenschluss von lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queeren (LSBTTIQ) Gruppen, Vereinen und Initiativen. Das Netzwerk zeigt damit bereits die Vielfalt und die Vielgestaltigkeit von Geschlecht und sexueller Orientierungen. Ziel des Netzwerks ist es, die Zusammenarbeit der verschiedenen LSBTTIQ-Mitgliedsgruppen auf Landesebene zu fördern und den Erfahrungsaustausch zu intensivieren, zu zentralen Themen gemeinsame Positionen zu erarbeiten und gegenüber landespolitischen Entscheidungstragenden zu vertreten. Dabei greift das Netzwerk auf die vorhandenen Kompetenzen und Expertisen der Mitglieder zurück. Die Bündelung der Aktivitäten vor Ort erbringt Synergieeffekte, die den gesellschaftlichen Beitrag der Mitgliedsgruppen wirkungsvoller gestaltet. Die Eigenständigkeit jedes Mitglieds wird respektiert und alle Mitglieder arbeiten gleichberechtigt.

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LSBTTIQ: Die Abkürzung steht für einzelne Richtungen in der vielfältigen Regenbogen-Gemeinschaft – lesbisch (L), schwul (S), bisexuell (B), transgender (T), transsexuell (T), intersexuell (I), queer (Q).