Transgender Day of Remembrance 2017 – Jugendliche brauchen Sicherheit und Unterstützung zu Hause, in der Schule und im Beruf!

Freiburg, 16. November 2017

PRESSEMITTEILUNG

Auch 2017 schließt sich das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg dem globalen Gedenken an die Opfer von Gewalt gegenüber transsexuellen und transgender Menschen an. Besonders Jugendliche und junge Erwachsene, für die das ihnen bei Geburt zugewiesene Geschlecht nicht passt, sind auf Unterstützung angewiesen – auch in Baden-Württemberg.

Für transsexuelle und transgender Menschen haben wir in den letzten Jahren in unserer Gesellschaft einiges erreichen können. Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg freut sich sehr über diese Entwicklungen, an denen wir aktiv mitgewirkt haben. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass weltweit transsexuelle und transgender Menschen weiterhin starken Diskriminierungen ausgesetzt sind, mitunter um ihr Leben fürchten müssen. Allein in der EU, etwa in den Niederlanden, sind 2017 wieder mehrere Menschen wegen ihrer Transsexualität ermordet worden. Auch mussten wir erleben, wie in den USA dieses Jahr Debatten geführt wurden, ob transsexuelle und transgender Menschen öffentliche Toiletten benutzen oder Teil des Militärs sein dürfen, während zugleich mindestens 25 Transfrauen in den USA wegen ihrer geschlechtlichen Identität ermordet wurden. Dies zeigt: trotz aller Fortschritte ist der Transgender Day of Remembrance (TDoR) als Gedenktag an die Opfer transfeindlicher Gewalt weiterhin wichtig um an diese Menschen zu erinnern.

Die Berichte über physische Gewalt an transsexuellen und transgender Menschen bilden nur die erschütternde Spitze des Eisberges einer Gesellschaft, die sich nach wie vor schwer damit tut, diese Menschen voll und ganz zu akzeptieren. Über persönliche Bedrohungen hinaus sehen sich transsexuelle und transgender Menschen auch weiterhin beständiger struktureller Gewalt im Alltag ausgesetzt, welche sie marginalisiert, diskriminiert und ihrer Gesundheit schadet. Nicht nur in den USA oder den Niederlanden, sondern auch hier bei uns, in Deutschland, in Baden-Württemberg.

Die Arbeit des Netzwerkes LSBTTIQ besteht auch darin, auf diese strukturelle Gewalt aufmerksam zu machen und ihr, wo auch immer es geht, entgegenzuwirken. Unser besonderes Augenmerk gilt dabei Jugendlichen, für die das ihnen bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht passt, und ihrem besonderen Bedarf an Unterstützung. Es ist ein Glück, dass sie heute in vielen Fällen viel offener mit ihrer Transidentität umgehen können, als noch vor wenigen Jahren. Es sind Strukturen geschaffen worden, die transsexuelle und transgender Jugendliche schon früh beraten und unterstützen können. In Ulm und Mannheim gibt es sogar eigene Jugendgruppen, die sehr gut besucht sind und weiter wachsen. „Besonders stolz können wir darauf sein, dass mit dem seit 2015 aufgebauten Angebot an professioneller Beratung durch transsexuelle und transgender Berater_innen viele Menschen Unterstützung erhalten können. Die große Nachfrage zeigt uns, den hohen Bedarf in Baden-Württemberg.“, so Mathias Falk, Mitglied des Sprechendenrates des Netzwerkes LSBTTIQ Baden-Württemberg.

Auch wenn vieles erreicht wurde, müssen Jugendliche auch heute noch mit gravierenden Problemen in der Mehrheitsgesellschaft rechnen, wenn sie sich als transsexuell, transgender oder genderfluid zu erkennen geben. In ihrer besonderen Abhängigkeit von erwachsenen Instanzen entstehen betroffenen Jugendlichen immer wieder Schwierigkeiten, die sogar lebensbedrohlich werden können. Hürden entstehen dabei nicht selten bereits im Elternhaus: „Zunehmend mehr Eltern gehen heute gut und liebevoll mit Transidentität in der Familie um, aber immer noch viel zu viele Eltern verwehren sich gegen die Bedürfnisse ihres Kindes.“ sagt Isabelle Melcher von der Beratungsstelle TTI des Netzwerkes. Auch Schulen und andere Bildungsinstitutionen können unterstützende und tragende Funktionen einnehmen: „Immer wieder hören wir jedoch von Fällen, in denen es Schulen diesen Kindern, aber auch deren Eltern, besonders schwer machen, ohne Ausgrenzung oder Diskriminierung ihren Platz an ihrer Schule zu finden.“, führt sie weiter aus. Zudem haben transsexuelle und transgender Jugendliche oft große Schwierigkeiten, nach dem Schulabschluss Ausbildungsplätze zu finden, wenn sie offen mit ihrer Identität leben. Die negativen Folgen wirken dabei oft bis in das Erwachsenenleben hinein.

Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg fordert daher, besonders Jugendliche, für die das ihnen bei Geburt zugewiesene Geschlecht nicht passt, zu unterstützen. Um gute Lösungen für ihren Alltag finden zu können, brauchen diese Jugendlichen einen liebevollen Rückhalt in ihrer Familie und informierte Erwachsene in der Schule, im Ausbildungsbetrieb oder an der Universität. Sie brauchen zudem auch Raum und Möglichkeiten, sich selbst informieren und austauschen zu können – um ihre Stimme zu entwickeln und selbst für ihre Rechte eintreten zu können, um für sich einen guten Platz in der Gesellschaft zu finden und um Unterstützung zu suchen, wo sie sie brauchen.

Die verschiedenen Gruppen in unserem Netzwerk bieten auch in diesem Jahr zahlreiche Veranstaltungen zum Trans­gender Day of Remembrance. Detaillierte Beschreibungen der einzelnen Veranstaltungen finden Sie auf unserer Homepage.
Hier ein Überblick über die Termine. Alle Menschen sind herzlich eingeladen!

Freiburg
◦ Mahnwache zum International Transgender Day Of Remembrance (Montag 20.11., 17:30 bis 18:30 Uhr)

Heidelberg
◦ Workshop – Warm Up. Reclaim Your Body (Dienstag 14.11., 18 bis 20:30 Uhr)
◦ Konzert Dorian Wood (Donnerstag 16.11., 21 Uhr)
◦ Film „A Real Boy“ & Party in der UnheilBar (Samstag 18.11., 20:30 Uhr)
◦ Workshop – Queere Kinderbücher – Trans* und nicht binäre Geschichten im Fokus (Montag 20.11., 16 bis 18 Uhr)
◦ Vortrag & Diskussion – Refugees welcome? Queere Geflüchtete in Deutschland (Dienstag 21.11., 19:30 Uhr)
◦ Vortrag & Diskussion – Antifeministische Einsätze gegen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt – Anmerkungen aus historischer und aktueller Perspektive (Mittwoch 22.11., 18 Uhr)

Karlsruhe
◦ Mahnwache zum International Transgender Day Of Remembrance (Montag 20.11., 18 bis 20 Uhr)

Konstanz
◦ Vortrag über Transphobie, Akzeptanz und Toleranz + Film (Montag 20.11., 17:30 bis 20 Uhr)

Mannheim
◦ Lesenachmittag – Ich bin ein Mädchen, was denkt ihr denn? (Sonntag 19.11., 17 Uhr)
◦ Infoabend – Aktuelle Leitlinien und Behandlungsrealität – Vielfalt von Geschlecht (Montag 20.11., 19:30 Uhr)
◦ Jugendtreff – Offener St*ernchen-Nachmittag (Donnerstag 23.11., 17 bis 19 Uhr)
◦ Konzert – Transfony – Der Weg zu sich selbst (Donnerstag 23.11., 20 Uhr)

Neu-Ulm
◦ Filmvorführung “Mein Sohn Helen” – Veranstaltung zum TDoR (Montag 20.11., 18:30-21:30 Uhr)

Über das Netzwerk: Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ist ein überparteilicher und weltanschaulich nicht gebundener Zusammenschluss von lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queeren (LSBTTIQ) Gruppen, Vereinen und Initiativen. Das Netzwerk zeigt damit bereits die Vielfalt und die Vielgestaltigkeit von Geschlecht und sexueller Orientierungen. Ziel des Netzwerks ist es, die Zusammenarbeit der verschiedenen LSBTTIQ-Mitgliedsgruppen auf Landesebene zu fördern und den Erfahrungsaustausch zu intensivieren, zu zentralen Themen gemeinsame Positionen zu erarbeiten und gegenüber landespolitischen Entscheidungstragenden zu vertreten. Dabei greift das Netzwerk auf die vorhandenen Kompetenzen und Expertisen der Mitglieder zurück. Die Bündelung der Aktivitäten vor Ort erbringt Synergieeffekte, die den gesellschaftlichen Beitrag der Mitgliedsgruppen wirkungsvoller gestaltet. Die Eigenständigkeit jedes Mitglieds wird respektiert und alle Mitglieder arbeiten gleichberechtigt.

Kontakt zu Geschäftsstelle: kontakt@netzwerk-lsbttiq.net
Kontakt zum Sprechendenrat: sprechendenrat@netzwerk-lsbttiq.net
Mehr Informationen zum Netzwerk: www.netzwerk-lsbttiq.net
Netzwerk bei Facebook: www.facebook.com/lsbttiq

LSBTTIQ: Die Abkürzung steht für einzelne Richtungen in der vielfältigen Regenbogen-Gemeinschaft – lesbisch (L), schwul (S), bisexuell (B), transgender (T), transsexuell (T), intersexuell (I), queer (Q).