Vielfalt als Stärke für ein demokratisches Zusammenleben – Start der Koalitionsverhandlungen

07.04.2016

Anschreiben zur Aufnahme der Koalitionsverhandlungen zwischen Bündnis 90 / Die Grünen und CDU in Baden-Württemberg

Seit dieser Woche laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen Bündnis 90/Die Grünen und Christlich Demokratischer Union in Baden-Württemberg. Der öffentlichen Berichterstattung zufolge, ist eine entsprechende Regierungsbildung breit gewünscht. Die programmatischen Unterschiede zwischen Ihren Parteien werden überwiegend als überbrückbar eingeschätzt. Die Ergebnisse der Verhandlungen werden sicher Signalwirkung auch über die Landesgrenzen hinaus haben.

Als Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg schreiben wir Ihnen in Vertretung von fast 100 Initiativen und Vereinen engagierter Lesben, Schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, inter­sexuellen und queere Menschen (LSBTTIQ). Mit Blick auf die im Wahlkampf diskutierten und in den Wahlprogrammen aufgenommenen Themen sehen wir große Differenzen bei Ihren Parteien in Bezug auf die Belange von Lesben, Schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, inter­sexuellen und queeren Menschen im Land. Sei es beim Bildungsplan oder beim Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte – immer wieder unterstrichen Ihre Parteien die großen Unterschiede bei diesen Themen.

Für uns ist aber auch das Potenzial für eine konstruktive Zusammenarbeit sichtbar. Eine Politik kann nur dann gleichzeitig „vielfältig, bodenständig, bürgernah“ als auch „ökologisch, ökonomisch und sozial“ sein, wenn sie die Interessen von LSBTTIQ in Baden-Württemberg mitdenkt. Wir möchten Ihnen daher zum Auftakt Ihrer Koalitionsverhandlungen einmal mehr aufzeigen, wie wichtig es für die Bürger_innen Baden-Württembergs ist, den letzten Jahren begonnene Prozess für eine stärkere Akzeptanz und aktive Förderung gleicher Rechte in unserem Land fortzusetzen.

In der letzten Legislaturperiode sind für LSBTTIQ Menschen in Baden-Württemberg einige wichtige Schritte erreicht worden: Die Erhebung und Analysen der FamilienForschung des Statistischen Landesamtes gaben klare Hinweise zu aktuellen Diskriminierungs­erfahrungen und benannten Bedürfnisse und Hoffnungen. Dies fand Berücksichtigung im Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte und in der Zielvereinbarung zwischen Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg und dem Land Baden-Württemberg wie auch bei der Reform der Bildungspläne oder im Zukunftsplan Jugend. LSBTTIQ Menschen wurden als Teil von Baden-Württemberg sichtbarer und damit gewann Baden-Württemberg deutlich an Profil.

Wir vertrauen darauf, dass Sie alle die Diskriminierung von Bürger_innen Baden-Württembergs ablehnen und die politischen Möglichkeiten für deren Abbau nutzen wollen. Folgende Punkte sind aus unserer Sicht dafür essentiell:

  • Ein Angebot für fachlich fundierte, psychosoziale Beratung für LSBTTIQ Menschen ist dringend notwendig wie auch die aktive Unterstützung von Selbsthilfestrukturen. Die Etablierung einer landesweiten Beratung wurde mit dem entsprechenden Projekt begonnen, diese bedarf auch über das Jahr 2016 hinaus Unterstützung der Landesregierung.
  • Jugendlichen im Coming Out Anlaufstellen zu bieten und Jugendgruppen in diesem Bereich zu unterstützen, ist explizit in der Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit zu verankern. Die spezifische Unterstützung der ehrenamtlich geleiteten Coming Out-Gruppen muss dabei dauerhaft einen Platz finden.
  • Genauso wichtig ist darüber hinaus eine Förderung wirksamer Programme, um die Diskriminierung von LSBTTIQ abzubauen. Diese müssen Jugendliche direkt adressieren, in ihrem alltäglichen Umfeld abholen und ihnen reale Handlungskompetenzen vermitteln.
  • Eine funktionsfähige Geschäftsstelle für das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ist unabdingbar, um die Arbeit und Vernetzung der verschiedenen LSBTTIQ-Gruppen zu ermöglichen. Nachhaltige Strukturen stellen sicher, dass der reibungslose Transfer von Expertise funktioniert. Politik, gesellschaftliche Akteure und Wissenschaft profitieren von verlässlichen Ansprechpartnern aus der Community.
  • Die Umsetzung der Aufgaben aus dem Aktionsplan „Für Akzeptanz und gleiche Rechte“ muss im Sinne eines umfassenden Abbaus von Diskriminierung und einer Ermöglichung von gesellschaftlicher Teilhabe für LSBTTIQ Menschen weitergehen. Dabei ist es unerlässlich, diese Maßnahmen mit entsprechenden Mitteln aus dem Haushalt zu versehen.
  • Die Unterstützung der unverzichtbaren und seit Jahrzehnten ehrenamtlich erbrachten Arbeit in lokalen und regionalen Zusammenhängen sollte bei der Umsetzung der Zielvereinbarung berücksichtigt werden. Hierzu sind Projektmittel gefragt, die eine bedarfsgerechte Professionalisierung lokal und regional aktiver Initiativen ermöglichen.

Wir sind gerne Teil dieses Landes und möchten uns auch in Zukunft aktiv für die Zukunft Baden-Württembergs engagieren. Als Netzwerk vereint uns die Überzeugung, dass Vielfalt eine Stärke ist und LSBTTIQ Menschen eine Bereicherung unseres demokratischen Zusammenlebens bedeuten.

Gerne möchten wir den Weg hin zum positiven Umgang mit Vielfalt mit Ihnen weitergehen. Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg steht dafür als Ansprechpartner stets zur Verfügung, auch unsere Mitglieder stehen gerne mit ihrer Expertise zur Verfügung.

 

 

Über das Netzwerk: Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ist ein überparteilicher und weltanschaulich nicht gebundener Zusammenschluss von lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queeren (LSBTTIQ) Gruppen, Vereinen und Initiativen. Das Netzwerk zeigt damit bereits die Vielfalt und die Vielgestaltigkeit von Geschlecht und sexueller Orientierungen. Ziel des Netzwerks ist es, die Zusammenarbeit der verschiedenen LSBTTIQ-Mitgliedsgruppen auf Landesebene zu fördern und den Erfahrungsaustausch zu intensivieren, zu zentralen Themen gemeinsame Positionen zu erarbeiten und gegenüber landespolitischen Entscheidungstragenden zu vertreten. Dabei greift das Netzwerk auf die vorhandenen Kompetenzen und Expertisen der Mitglieder zurück. Die Bündelung der Aktivitäten vor Ort erbringt Synergieeffekte, die den gesellschaftlichen Beitrag der Mitgliedsgruppen wirkungsvoller gestaltet. Die Eigenständigkeit jedes Mitglieds wird respektiert und alle Mitglieder arbeiten gleichberechtigt.

Kontakt zum Sprechendenrat: sprechendenrat@netzwerk-lsbttiq.net
Kontakt zur Geschäftsstelle: kontakt@netzwerk-lsbttiq.net
Mehr Informationen zum Netzwerk: www.netzwerk-lsbttiq.net

LSBTTIQ: Die Abkürzung steht für einzelne Richtungen in der vielfältigen Regenbogen-Gemeinschaft – lesbisch (L), schwul (S), bisexuell (B), transgender (T), transsexuell (T), intersexuell (I), queer (Q).