Stellungnahme des Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben

Freiburg, 24.7.2018

In Reaktion auf einen Referentenentwurf vom 5. Juni 2018 nahm das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg am 24.7.2018 in einem Schreiben an das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Stellung zum geplanten „Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Stellungnahmen anderer Organisationen findet ihr am Ende des Textes.

Neben vielen weiteren Verbänden möchten auch wir als Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg, eine Dachorganisation von über 100 Organisationen in Baden-Württemberg, die Gelegenheit nutzen, zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben vom 05.06.2018 Stellung zu nehmen.

Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg setzt sich für das Recht auf selbstbestimmte sexuelle Orientierung und für das Recht auf selbstbestimmte geschlechtliche Identität ein. Aus diesem Grund ist es uns ein dringendes Anliegen, Ihnen folgende Rückmeldung zum Referentenentwurf zu geben:

Wir sind der Ansicht, dass die Selbstaussage eines Menschen ausreichend ist, um rechtlich eine Personenstandsänderung zu vollziehen.
Diese Regelung wurde bereits in anderen Ländern wie Malta, Argentinien, Dänemark und Irland mit Erfolg umgesetzt. Genaueres dazu ist auch im Gutachten: „Geschlechtervielfalt im Recht. Status quo und Entwicklung von Regelungsmodellen zur Anerkennung und zum Schutz von Geschlechtervielfalt“ vom Deutschen Institut für Menschenrechte, veröffentlicht vom BMFSFJ 2017, ab Seite 52 f. zu lesen.

Wir unterstützen zudem eine Ausgestaltung des Gesetzes, nach der rechtliche Aspekte von medizinischen Diagnosen entkoppelt sind.
Im Sinne einer Gleichbehandlung intersexueller sowie transsexueller und transidenter Personen ergibt sich hieraus auch die dringende Notwendigkeit einer Anpassung und / oder Neuregelung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG) bzw. eine Integration der notwendigen Regelungen unter expliziter Beachtung der resultierenden Folgefragen in das Personenstandsgesetz (PStG). Dabei ist eine nicht pathologisierende, sondern gesundheitsfördernde und -erhaltende medizinische Versorgung von Menschen mit Intersexualität, Transsexualität, Transidentität, sowie von nicht-binären und queeren Menschen neben der Regelung der rechtlichen Stellung sicherzustellen.

Wir fordern ein Verbot von nicht lebensnotwendigen fremdbestimmten genitalnormierenden Operationen an Neugeborenen und Kindern, wie bereits im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.
Um dies zu erreichen, sind umfangreiche Neuregelungen zu treffen, wie sie im bereits oben benannten Gutachten des BMFSFJ benannt sind.

Als Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg treten wir aktiv für die Akzeptanz und Anerkennung der Vielfalt von Geschlecht ein. Denn es gibt mehr Geschlechter als Mann und Frau. Menschen, die nicht in die binäre Einteilung von Geschlecht passen, haben genauso ein Recht auf ihr Geschlecht wie alle anderen auch. Dazu gehört das Recht von intersexuellen und nicht-binären oder transgeschlechtlichen Menschen, ohne Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts leben und gesellschaftlich teilhaben zu können. Dazu muss aber auch der Schutz von Minderjährigen vor fremdbestimmten medizinisch nicht notwendigen Operationen gehören; dieses explizite Verbot ist immer noch nicht vom Gesetzgeber umgesetzt worden.

Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg fordert daher mit seinen über 100 Mitglieder den Gesetzgeber auf, diskriminierungsfreie Regelungen zu erarbeiten und umzusetzen. Nur so kann ein umfassender rechtlicher Rahmen für Menschen geschaffen werden, die sich in der bestehenden unrealistischen Einengung auf Zweigeschlechtlichkeit nicht wiederfinden.

 

Stellungnahmen anderer Organisationen zum Entwurf

Bundesverband Trans* e.V.
dgti e.V.
Kampagne Dritte Option
Intersexuelle Menschen e.V.
LSVD

 

Aktionen

Wer selbst noch aktiv werden möchte, kann Briefe an die eigenen Abgeordneten oder die beteiligten Ministerien verfassen, die Petition „Gleiches Recht für jedes Geschlecht“ der Bundesvereinigung Trans* unterzeichnen, sich selbst informieren und über Aktionen auf dem Laufenden halten bspw. bei Dritte Option oder Aktion Standesamt 2018.

 

Über das Netzwerk: Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ist ein überparteilicher und weltanschaulich nicht gebundener Zusammenschluss von lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queeren (LSBTTIQ) Gruppen, Vereinen und Initiativen. Das Netzwerk zeigt damit bereits die Vielfalt und die Vielgestaltigkeit von Geschlecht und sexueller Orientierungen. Ziel des Netzwerks ist es, die Zusammenarbeit der verschiedenen LSBTTIQ-Mitgliedsgruppen auf Landesebene zu fördern und den Erfahrungsaustausch zu intensivieren, zu zentralen Themen gemeinsame Positionen zu erarbeiten und gegenüber landespolitischen Entscheidungstragenden zu vertreten. Dabei greift das Netzwerk auf die vorhandenen Kompetenzen und Expertisen der Mitglieder zurück. Die Bündelung der Aktivitäten vor Ort erbringt Synergieeffekte, die den gesellschaftlichen Beitrag der Mitgliedsgruppen wirkungsvoller gestaltet. Die Eigenständigkeit jedes Mitglieds wird respektiert und alle Mitglieder arbeiten gleichberechtigt.

Kontakt zum Sprechendenrat: sprechendenrat@netzwerk-lsbttiq.net
Kontakt zur Geschäftsstelle: kontakt@netzwerk-lsbttiq.net
Mehr Informationen zum Netzwerk: www.netzwerk-lsbttiq.net

LSBTTIQ: Die Abkürzung steht für einzelne Richtungen in der vielfältigen Regenbogen-Gemeinschaft – lesbisch (L), schwul (S), bisexuell (B), transgender (T), transsexuell (T), intersexuell (I), queer (Q).