Aktueller und bedeutsamer denn je: der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus!

Freiburg, 15. Januar 2024

PRESSEMITTEILUNG

Anlässlich des 79. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz erinnert das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg an das Leid lesbischer, schwuler, bisexueller, transgender, transsexueller, intergeschlechtlicher und queerer Menschen und weist auf wichtige Veranstaltungen in Baden-Württemberg hin.

27. Januar 2024 – Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus

Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Der Name wie auch der Ort stehen symbolhaft für den millionenfachen und systematisch geplanten Mord aus rassistischen, politischen und sozialen Gründen während des Nationalsozialismus in den Jahren 1933 bis 1945. „In Zeiten, in denen das Erstarken von rechtspopulistischen und fundamentalistischen Kräften mit Abwertungen, Anfeindungen und Übergriffen bis hin zur offenen Gewalt gegen jüdische, muslimische und LSBTTIQ-Menschen einhergeht, gewinnt die Erinnerung an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 und das Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur an aktueller Bedeutung“, so Corinna Wintzer vom Sprechendenrat des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg.

Zur Akzeptanz menschlicher Vielfalt und zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen

Der Ausgrenzung von LSBTTIQ-Menschen können wir auch dadurch entgegenwirken, dass wir uns für eine geschlechtergerechte Erinnerungskultur einsetzen und diese fördern. Hierfür bedarf es außeruniversitärer und universitärer Forschung, welche die Vielfalt nichtheteronormativer Lebenswege angemessen berücksichtigt.

„Dass die Historikerin Claudia Weinschenk mit dem von uns 2019 initiierten außeruniversitären Pionierprojekt Auffindbarkeit lesbischer Frauen in Psychiatrien im Nationalsozialismus und seit 2021 weitere Wissenschaftlerinnen an den Universitäten Heidelberg und Freiburg mit ihren Forschungsarbeiten die unterschiedlichen Lebensrealitäten von frauenliebenden* Frauen in der NS- und Nachkriegszeit in Baden-Württemberg sichtbar machen können, musste hartnäckig erstritten werden“, betont Ute Reisner, Mit-Koordinierende der Themengruppe Geschichte des Netzwerks (Geschichtsprojekt – Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg), und sie ergänzt: „Der Forschungsprozess wird in Vorträgen und Ausstellungen einer breiten Öffentlichkeit vermittelt und auf einem Blog online dokumentiert (https://lesbenwelt.hypotheses.org/). Damit künftig finanzielle Mittel in ausreichender Höhe zur Verfügung stehen, muss weiter gerungen werden.“

Der Gedenktag mahnt: Unterdrückung und Verfolgung nicht hinnehmen

„Seit unserer Gründung 2017 haben wir uns vom Projekt Der-Liebe-wegenhttps://der-liebe-wegen.org – im und mit dem Netzwerk dafür eingesetzt, dass auch das staatliche Unrecht gegenüber trans und intergeschlechtlichen Menschen in unserer Region konsequent aufgearbeitet wird. Wir freuen uns über die gemeinsam erzielte Zusage des baden-württembergischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, dass dies ab Januar 2024 durch die Universität Stuttgart (Forschungsmodul zu Geschlechterdiversität in Baden-Württemberg) endlich erfolgen wird“, ergänzt Ralf Bogen, Mit-Koordinierender der Themengruppe Geschichte. Und er betont: „Am Gedenktag möchten wir auch auf die brutale, heutige Unterdrückung und Verfolgung von LSBTTIQ-Menschen in Ländern wie dem Iran, Uganda oder Ghana hinweisen und dass wir für die Anerkennung und Sicherheit von LSBTTIQ-Geflüchteten eintreten müssen. Dass wir gemeinsam Wichtiges erreichen können, zeigt auch die internationale Kampagne für die von einem Todesurteil bedrohte iranische LSBTTIQ-Aktivistin Sareh (Zahra Sedighi Hamedani), die gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen wurde und mittlerweile mit ihren Kindern wohlbehalten in einem sicheren Land angekommen ist (der-liebe-wegen.org). Der Gedenktag mahnt: Wir dürfen Unterdrückung und Verfolgung nicht hinnehmen – egal wo auf dieser Erde!“

Wichtige Veranstaltungen zum Gedenktag

Der Gedenktag 2024 ist auch den Menschen gewidmet, die nicht in das faschistische Weltbild von Geschlecht, Liebe, Zuneigung und Begehren passen. Wir empfehlen folgende Veranstaltungen, die unter anderem von Mitgliedern des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg organisiert werden:

Seit 9. Januar bis 9. Februar 2024, Mo bis Fr 8 bis 17 Uhr – Heidelberg

Ausstellung „Zerbrochene Verbindungen – Ravensbrück – Die Wege von frauenliebenden* Frauen* in den Widerstand und in die Deportation“

Das französische Kollektiv Queer Code stellt in der Ausstellung das Schicksal von sechs Frauen aus Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und den USA vor, die verhaftet und mehrheitlich in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück deportiert wurden.

Ort: Foyer des Rathauses | Marktplatz 10 | Heidelberg

Veranstaltende: Organisiert vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Heidelberg und der Koordinationsstelle LSBTIQ+ im Amt für Chancengleichheit der Stadt Heidelberg in Kooperation mit dem Interkulturellen Zentrum Heidelberg, dem Karlstorkino – Medienforum Heidelberg e. V., dem Montpellier-Haus Heidelberg, dem Queeren Netzwerk Heidelberg und der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte.

Weitere Informationen und Download des Rahmenprogramms: https://www.medizinische-fakultaet-hd.uni-heidelberg.de/einrichtungen/institute/geschichte-und-ethik-der-medizin/aktuelles

21. Januar 2024, 17 Uhr – Stuttgart und Online

Hybridveranstaltung „Diagnose: Psychopathin mit perverser Neigung“ über das Forschungsprojekt zur Auffindbarkeit von frauenliebenden Frauen in baden-württembergischen Psychiatrien in der Zeit des Nationalsozialismus

Claudia Weinschenk forschte fünf Jahre in Akten baden-württembergischer Psychiatrien aus der Zeit des Nationalsozialismus nach Spuren frauenliebender Frauen. Das Projekt soll vorgestellt, von Schwierigkeiten und Erfolgserlebnissen erzählt, auftauchende Fragen angeschnitten und mit aus den Akten herausgefilterte Biografien konkretisiert werden.

Ort: Café Zentrum LSBTTIQ Weissenburg, Weissenburgstraße 28A

Veranstaltende: Weissenburg e. V. – Zentrum LSBTTIQ Stuttgart

Weitere Informationen und Onlinezugang: https://der-liebe-wegen.org/21-1-2024-hybridveranstaltung-diagnose-psychopathin-mit-perverser-neigung/

24. Januar 2024, 19 Uhr – Heidelberg

Lesbische Jüdinnen im Nationalsozialismus: entrechtet, vertrieben, ermordet

Mit Dr. Claudia Schoppmann, Berlin

Ort: Friedrich-Ebert-Haus | Pfaffengasse 18 | Heidelberg

Rahmenprogramm zur Ausstellung „Zerbrochene Verbindungen“ (s.o.)

27. Januar 2024, 11 Uhr – Stuttgart

Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur am Stolperstein für Käthe Loewenthal:

„Der Freundin zuliebe ins Nazi-Deutschland zurückgekehrt, wegen jüdischer Herkunft deportiert und ermordet“

Mit Kurzbeiträgen von Philine Pastenaci (Regisseurin, Performerin, Autorin), Barbara Straub (Leiterin der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart), Prof. Dr. Wolf Ritscher (Angehöriger, Verein „Lebenswerk Käthe Loewenthal“), Brigitte Lösch (Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber)

Musikalische Begleitung durch Chor Musica Lesbiana, Stuttgart

Ort: Ameisenbergstraße 32, Stuttgart Ost (Bushaltestelle Urachstraße)

Veranstaltende: Projekt „Der-Liebe-wegen“, Weissenburg e. V. – Zentrum LSBTTIQ Stuttgart und Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber mit Unterstützung der Abteilung für Chancengleichheit und der Koordinierungsstelle Erinnerungskultur der Stadt Stuttgart

Weitere Informationen: https://der-liebe-wegen.org/27-1-2024-11-uhr-einladung-zum-gedenktag-an-die-opfer-der-ns-diktatur/

7. Februar 2024, 19:00 Uhr – Heidelberg

Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück: Geschlechtsnonkonformismus in der Häftlingsgesellschaft. Geschichte und Nachgeschichte

Mit Dr. Insa Eschebach, Berlin

Ort: Friedrich-Ebert-Haus | Pfaffengasse 18 | Heidelberg

Rahmenprogramm zur Ausstellung „Zerbrochene Verbindungen“ (s.o.)

Der Text der Pressemitteilung als pdf-Datei findet sich hier.